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01.12.2017

1.12.2017

Mein Experiment hat interessante “Nebenwirkungen“ auf meine Familie.
Konkret auf meinen pubertierenden Sohn Nils: Der hat sich von dem hübschen, verspielten blonden Jungen aus der Weltumseglungszeit zu einem stattlichen jungen Mann mit sonorer Stimme entwickelt. An seinem Muskelaufbau arbeitet er beharrlich einige Minuten am Tag. Sonst interessiert ihn – neben der Liebe – vor allem Politik, Geschichte (aktuell das osmanische Reich), Physik und der Kosmos. Was ist hinter diesem Universum? Schwarze Löcher, Quarks, Multiversumstheorien. Daran erprobt er mit Begeisterung seinen Geist. Drogen findet er eher unspannend (ganz im Gegensatz zu seiner Schwester …). GTA (ein Computerspiel) ist immer noch seine Leidenschaft. Er ist mit 95% der Stimmen zum Schulsprecher gewählt worden, was er mit seinem Understatement uns gegenüber nicht erwähnenswert fand. Es kam dann im Elterngespräch mit den Lehrern raus. Offensichtlich schätzen seine Mitschüler seine ruhige, eigenwillige Art.

Er war vor ein paar Wochen auf eigene Initiative in der Brockwood-Park-Schule in England https://www.brockwood.org.uk/. Eine Woche, die ihn darin bestärkt hat, dort mindestens ein halbes Jahr zu leben. Brockwood ist auch eine freie Schule wie die unsere hier am Tempelhof, aber mit einer internationalen Ausrichtung. Alle Schüler leben selbstorganisiert gemeinsam mit den Lernbegleitern auf dem Gelände und die Stimmung ist laut Nils die einer sehr produktiven internationalen Lerngemeinschaft.

Das Ganze ist natürlich eine rein privat finanzierte Angelegenheit und mit 14.000€ für ein halbes Jahr in meinen Augen schweineteuer. Als Familie können wir  max. die Hälfte davon aufbringen. Da er ab Januar für ein halbes Jahr dort sein will und die Anzahlung bis zum 15. Dezember zu zahlen ist, besteht sein aktuelles Projekt nun darin, in 14 Tagen 7.000€ aufzutreiben. Bin gespannt, ob er das zusammen bekommt. Er ist mit Begeisterung dabei. Trotzdem ist es nicht leicht für ihn, wenn er die Menschen um ihn herum um Unterstützung bittet, und die dann z.B. als Antwort sagen: „ich will dir nix geben, solange dein Papa nicht richtig arbeitet, sondern so ein verrücktes Projekt macht“.

Autsch. Das tut weh. Ihm wie mir.
Auch wenn das Argument irgendwie Bullshit ist. Denn die meisten Menschen könnten diese Summe nicht mal so eben als Extra aufbringen. Selbst nicht mit sogenannter „richtiger Arbeit“. Privatschulen in England sind halt was für „privilegierte“, und das sind wir – dank unseres eher unlukrativen Engagements unter anderem in diesem Dorf hier und dem Experiment Unbezahlbar – wirklich nicht mehr.

Einerseits kann das nun eine der eher schmerzhaften Lernerfahrungen an unserer sozialen Wirklichkeit für ihn werden. Vielleicht gelingt es ihm aber auch, ganz neue Wege für die Umsetzung seiner Träume zu finden und dabei andere, beflügelnde Erfahrungen zu machen?

Ich bin sehr gespannt, wie er mit dieser Situation umgeht und habe großen Respekt vor seinem Mut, sich dem mit seinen 16 Jahren zu stellen. Gleichzeitig ist in mir so ein gewisser Trotz. Ich mag den Menschen, die so über uns als Familie und mich und mein Experiment im speziellen urteilen, antworten: Wie Dumm, dass nicht immer die Menschen mit dem vielen Geld auch die guten Ideen und dazu noch den Mut zur Umsetzung haben.

1 Kommentare

  1. Ulrich Stelzner sagt:

    Lieber Ben,
    leider habe ich schon lange nicht mehr bei dir hier im Logbuch reingeschaut.
    Für dich und deine Familie wünsche ich ein ereignisreiches Jahr, mit neuen Erkenntnissen, gerne auch mit Bestätigung und Einsichten, Erfüllung der Wünsche, Gesundheit und Anerkennung.
    Ich finde Nils Plan wunderbar und hoffe, ihr könnt gemeinsam das Vorhaben auch finanziell stemmen. Die erwartete Erfahrung und die Eindrücke sind für Nils absolut wichtig und jeder Lebensabschnitt braucht eigene Impulse und Motivation.
    Gerne möchte ich Nils Bitte nachkommen und auch nachträglich noch einen Tropfen tröpfeln lassen. Du wirst den Tropfen auf deinem Konto finden unter „Nils, auf nach Brookwood!“
    Erst mal: Ahoi!
    Ulli

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