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05.11.2016

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Der kostbare Moment der Freiheit

Vielleicht die spannendste Erfahrung des letzten Sommers war die Begegnung von Menschen in einem “verortungsfreien“ Raum.

Jeder, der an Bord kam, und da schließe ich mich selbst mit ein, wusste vom Anderen nicht, aus welcher Gesellschaftsschicht er kommt. Er wusste nicht, wie viel Geld der andere für seine Teilnahme bezahlt hatte oder bezahlen würde. Die meisten der sonst im Leben üblichen Indikatoren für die Klassifizierung der Menschen nach Status, Vermögen, Ausbildung und Einkommen, waren zumindest vorübergehend außer Kraft gesetzt.

Das ist vielleicht vergleichbar mit dem Zustand eines Seglers, der aufs Meer fährt und alle Landmarken hinter sich lässt. GPS ist ausgefallen, der Himmel seit Tagen bewölkt, sodass er nicht mehr weiß, wo er sich genau befindet. In einem solchen orientierungslosen Zustand, ist die Aufmerksamkeit ganz im Jetzt. Die eigene Befindlichkeit tritt zurück und alle Sinne sind aufs Äußerste geschärft und auf die Umgebung gerichtet.

So sind wir uns in gewisser Weise orientierungslos begegnet. Wir hatten kaum Bezugspunkte, nach denen wir uns im Verhältnis zu den anderen Beurteilen, sprich uns eine “Position“ oder einen Standpunkt verschaffen konnten. Wo sonst der Preis einer Reise bereits ein Indikator über die finanzielle Lage des Anderen ist und somit Rückschlüsse auf seinen Status in der Gesellschaft zulässt, war durch das Experiment nur ein großes Fragezeichen. Bist du ein solventer Schnäppchenjäger, der hier gelandet ist, weil es die “billigste“ Art ist, Segeln zu gehen? Bist du ein mittelloser Student, der sich kaum die Bordkasse leisten kann? Bist du ein gutsituierter Beamter, der das Experiment mit einem großen Betrag unterstützen wird?

All das war zunächst unbekannt. Das einzige was wir voneinander wussten, war unser ungefähres Alter, Geschlecht und dass offensichtlich jeder einen gewissen Abenteuergeist in sich trug, sonst wäre er nicht auf diesem Schiff gelandet.

Was beim Segeln ein höchst beunruhigender Zustand ist, da ein genauer Schiffsort (also das Wissen darum, wo ich im Moment im Verhältnis zu meiner Umgebung bin) überlebensnotwendig ist,  konnte in der Begegnung mit den anderen Menschen wie eine Befreiung wirken: Ohne die üblichen Bezugspunkte zeigten sich mir die Mensch so, wie sie wirklich sind. Unverfälscht durch meine Vorurteile, Annahmen und Bewertungen.

Ein kostbarer Moment der Urteilslosigkeit und damit Freiheit, der uns einen kurzen Blick auf die Wirklichkeit des Anderen ermöglichte.

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